ENDE DES ARD / ZDF- GEBÜHREN- ZWANGS- »STEUER«- SYSTEMS?

»Stil­le Nacht, hei­li­ge Nacht. Alles schläft …« − so beginnt eines der schöns­ten deut­schen Weih­nachts­lie­der. Und das haben sich wahr­schein­lich auch die Main­stream-Medi­en gedacht, als es dar­um ging, eine der größ­ten Sen­sa­tio­nen des Jah­res unters Volk zu brin­gen: Näm­lich das bevor­ste­hen­de Ende der Rund­funk-Zwangs­ge­bühr. Heim­lich, still und lei­se haben uns die Medi­en eine Gabe unter den Baum gelegt, die sie wohl lie­ber nicht ver­schenkt hät­ten, aber nach Lage der Din­ge nun mal los­wer­den muss­ten, ohne dass ein zu gro­ßer Freu­den­schrei durch die Rei­hen ging − näm­lich das bevor­ste­hen­de Ende des zwangs­fi­nan­zier­ten öffent­lich-recht­li­chen Rundfunks.

Bereits am 15. Dezem­ber 2014 war vom Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­um ein Gut­ach­ten über die Finan­zie­rung des öffent­lich-recht­li­chen Rund­funks auf sei­ne Web­site gestellt wor­den, aber erst am 23., 24. und 25. Dezem­ber berich­te­ten eini­ge weni­ge Medi­en dar­über − also als ganz Deutsch­land vor dem Weih­nachts­baum saß und ver­mut­lich etwas Bes­se­res zu tun hat­te, als Bild, Welt oder Stern zu lesen. Es han­delt sich um ein Gut­ach­ten, das der Wis­sen­schaft­li­che Bei­rat des Bun­des­fi­nanz­mi­nis­ters erstellt hat. Titel: »Öffent­lich-recht­li­che Medi­en − Auf­ga­be und Finanzierung«.

Minis­te­ria­le Finanz­ex­per­ten spre­chen von »Zwangs­ab­ga­be«

Wohin die Rei­se geht, kann man bereits dar­an able­sen, dass die Exper­ten die Rund­funk­ab­ga­be tat­säch­lich als »Zwangs­ab­ga­be« bezeich­nen und damit einen Kampf­be­griff der Kri­ti­ker über­neh­men. Auf 44 Sei­ten fol­gen die hoch­ka­rä­ti­gen Exper­ten dar­in vie­len Argu­men­ten der Kri­ti­ker der Rund­funk­ab­ga­be und ver­tei­len eine Watsch’n nach der anderen.

So sehen sie »bedeut­sa­me wirt­schafts­po­li­ti­sche Fehl­steue­run­gen und Reform­be­darf im bestehen­den Sys­tem«. Sie räu­men auch ein, dass sich das gebüh­ren­fi­nan­zier­te Rund­funk­sys­tem über­lebt hat: »Die tech­ni­schen Grün­de, mit denen einst das Sys­tem des öffent­lich-recht­li­chen Rund­funks gerecht­fer­tigt wur­de, sind heut­zu­ta­ge weit­ge­hend ver­blasst« (S. 6).

Das Gebüh­ren­mo­dell stammt schließ­lich aus einer Zeit, als sich Rund­funk- und Fern­seh­kon­sum noch nicht indi­vi­du­ell nach Nut­zung, son­dern nur pau­schal abrech­nen lie­ßen. Im Zeit­al­ter der Digi­ta­li­sie­rung und Ver­schlüs­se­lung ist das jedoch vor­bei. Heu­te lässt sich die Nut­zung sehr wohl indi­vi­du­ell abrech­nen, wie die »Bezahl­sen­der« bewei­sen. Es gibt also kei­nen Grund mehr, war­um nicht auch ARD, ZDF & Co. ihr Geld künf­tig »ehr­lich« ver­die­nen soll­ten, näm­lich indem sie um zah­len­de Kund­schaft werben.

»Ange­sichts der tech­ni­schen Ent­wick­lung gibt es kaum noch Grün­de, war­um der Rund­funk­markt wesent­lich anders orga­ni­siert sein soll­te als der Zei­tungs­markt, der durch ein brei­tes pri­va­tes Ange­bot und Sub­skrip­ti­ons- [Abo-] model­le gekenn­zeich­net ist«, schrei­ben die Finanz­pro­fes­so­ren (S. 6). »Nach Ansicht des Bei­rats gibt es daher gute Grün­de für eini­ge Refor­men im Rundfunkbereich.«

Zwangs­ab­ga­be ist eine Steuer

 

Und das ist auch der Grund, war­um unse­re Medi­en das The­ma ganz tief hän­gen und in den Fei­er­ta­gen ver­sen­ken wol­len. Mun­ter rei­ßen die Pro­fes­so­ren näm­lich wich­ti­ge Eck­pfei­ler der Abwehr­fes­tung der Öffent­lich-Recht­li­chen ein.

So stel­len die Fach­leu­te des Finanz­mi­nis­te­ri­ums ganz klar, dass es sich bei der Zwangs­ab­ga­be um eine Steu­er han­delt, wie eben­falls vie­le Kri­ti­ker immer wie­der behaup­tet haben: Bei der Rund­funk­fi­nan­zie­rung durch die Nut­zer habe sich der Gesetz­ge­ber »auf eine unglück­li­che Misch­form fest­ge­legt. Denn aus öko­no­mi­scher Sicht sind die jet­zi­gen Pflicht­bei­trä­ge eine Steu­er, die einer Zweck­bin­dung unter­liegt« (S. 34). (Zur Erhe­bung von Steu­ern ist der soge­nann­te »Bei­trags­ser­vice« von ARD, ZDF und Deutsch­land­ra­dio aber nicht berech­tigt.) »Der öffent­lich-recht­li­che Rund­funk hat inner­halb Deutsch­lands einen unge­wöhn­li­chen Son­der­sta­tus und ein beträcht­li­ches Pro­duk­ti­ons­vo­lu­men«, stel­len sie fer­ner fest.

Sprich: In Deutsch­land herrscht Über­ver­sor­gung und das Schla­raf­fen­land für Rund­funk­ma­cher. »Die öffent­lich-recht­li­chen Sen­de­an­stal­ten betrei­ben 22 Fern­seh­ka­nä­le sowie 67 Radio­pro­gram­me und ent­fal­ten Akti­vi­tä­ten im Bereich des Inter­nets.« Im Jahr 2012 strahl­ten die­se Sen­der dem­nach zehn Mil­lio­nen Sen­de­mi­nu­ten aus − fast 20-mal so viel wie das Jahr Minu­ten zählt oder anders gesagt: fast 20 »Fern­seh­jah­re«. Kein Volk wird in so dicke Pro­pa­gan­da­wat­te gepackt wie die Deut­schen. Jedes Jahr kas­sie­ren die­se Sen­der von den Gebüh­ren­zah­lern 7,5 Mil­li­ar­den Euro und las­sen das Publi­kum in einem unend­li­chen Meer aus im Prin­zip staat­li­chen Inhal­ten schwim­men − wobei übri­gens auch die pri­va­ten Sen­der unter Staats­auf­sicht ste­hen.  (SHAEF-Ver­trag 1944: »Deutsch­land ist das Deut­sche Reich in den Gren­zen vom 13.12.1937   = III. Reich und Reichsbürger)

Für das öffent­li­che Rund­funk­sys­tem zahlt inzwi­schen kaum jemand so viel wie die Deut­schen. Nur in Nor­we­gen und der Schweiz ist der Pro-Kopf-Bei­trag noch höher. »Der hohe Finan­zie­rungs­bei­trag pro Kopf in dem bevöl­ke­rungs­rei­chen Deutsch­land ist inso­fern ein Indi­ka­tor für eine weit über­durch­schnitt­li­che Ver­sor­gung«, heißt es in dem Gutachten.

Denk­blo­cka­de des Bundesverfassungsgerichts

Auch die bekennt­nis­ar­ti­ge Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts, das seit Jah­ren blind dem öffent­lich-recht­li­chen Rund­funk­mo­dell folgt, bekommt ihr Fett weg: »Zur Pro­ble­ma­tik die­ser Recht­spre­chung« gehö­re es, dass sie »aus­schließ­lich mit Eigen­zi­ta­ten belegt« wer­de und »weder öko­no­mi­sche, sozi­al­wis­sen­schaft­li­che oder sons­ti­ge Fach­li­te­ra­tur ein­be­zieht«. Das alles habe ent­spre­chen­de Aus­wir­kun­gen auf die Fach­li­te­ra­tur »und damit die medi­en­recht­li­che Dis­kus­si­on ins­ge­samt gehabt«.

Dem­nach gibt sich das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt also kei­ne Mühe, sich mit der gesell­schaft­li­chen und tech­ni­schen Rea­li­tät zu befas­sen, son­dern zieht es vor, sich per­ma­nent selbst zu zitie­ren. Wich­tig sei aber, »nicht einer dem Sta­tus quo ver­haf­te­ten Denk­blo­cka­de zu ver­fal­len«. »Die Funk­ti­ons­fä­hig­keit eines pri­vat­wirt­schaft­li­chen Hör­funk- und Fern­seh­an­ge­bots kann und darf nicht nur aus der Per­spek­ti­ve eines bestehen­den Sys­tems empi­risch erschlos­sen wer­den.« Oder anders gesagt: Die Ver­tei­di­gung der eige­nen Fleisch­töp­fe ist noch kein trag­fä­hi­ges Modell für ein öffent­lich-recht­li­ches Rund­funk­sys­tem. (Eini­ge Grün­de für die blin­de Gefolg­schaft des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts gegen­über dem bestehen­den Sys­tem wur­den bereits hier erläutert.)

Ins­ge­samt for­dern die Professoren:

  1. »Die öffent­lich-recht­li­chen Anbie­ter soll­ten nur da auf­tre­ten, wo das pri­vat­wirt­schaft­li­che Ange­bot kla­re Defi­zi­te aufweist. 
  2. Zwei­tens soll­te im öffent­li­chen Rund­funk auf die Wer­be­fi­nan­zie­rung kom­plett ver­zich­tet wer­den, da ansons­ten die Fehl­an­rei­ze der Pro­gramm­ge­stal­tung, die mit dem öffent­lich-recht­li­chen Rund­funk besei­tigt wer­den sol­len, gleich­sam durch die Hin­ter­tür wie­der ein­ge­führt wer­den. [Sprich: Kon­zes­sio­nen an die Wer­be­wirt­schaft könn­ten das Pro­gramm nega­tiv beeinflussen.]
  3. Drit­tens soll­te sich der Gesetz­ge­ber ent­we­der für eine kla­re Finan­zie­rung aus dem all­ge­mei­nen Haus­halt oder für eine moder­ne Nut­zungs­ge­bühr, die bei­spiels­wei­se dem Sub­skrip­ti­ons­mo­dell im Zei­tungs­markt folgt, entscheiden.
  4. Vier­tens ist eine grö­ße­re Trans­pa­renz durch die Publi­ka­ti­on von Kenn­grö­ßen drin­gend not­wen­dig, um die Kos­ten­ef­fi­zi­enz im öffent­lich-recht­li­chen Rund­funk zu fördern.«

Steu­er oder Abo

Mit ande­ren Wor­ten plä­die­ren die Gut­ach­ter ent­we­der für eine offe­ne Steu­er­fi­nan­zie­rung des öffent­lich-recht­li­chen Rund­funks oder für ein moder­nes Abo- Sys­tem, wie es ande­re Sen­der auch betrei­ben. Wobei dazu Fol­gen­des zu sagen ist: Eine Steu­er­fi­nan­zie­rung käme nur für einen stark abge­speck­ten Rund­funk in Fra­ge, der sich auf ori­gi­när staat­li­che Auf­ga­ben beschrän­ken wür­de, näm­lich auf Infor­ma­ti­on der Bür­ger über staat­li­che Belan­ge. Zum Bei­spiel über neue Geset­ze, Par­la­ments­de­bat­ten, Regie­rungs­pres­se­kon­fe­ren­zen und ande­res mehr. In etwa nach Art des Bundesgesetzblattes.

Denn schließ­lich wäre ja nicht ein­zu­se­hen, war­um alle Steu­er­zah­ler gezwun­gen wer­den soll­ten, (etwa bei Unter­hal­tung) für den Geschmack ande­rer zu bezah­len. Jour­na­lis­mus hät­te in einem steu­er­fi­nan­zier­ten Rund­funk eben­falls kei­nen Platz mehr, da staat­li­cher Jour­na­lis­mus ein Wider­spruch in sich wäre und der frei­heit­lich-demo­kra­ti­schen Grund­ord­nung wider­spre­chen wür­de. Staat­li­cher Jour­na­lis­mus wür­de die Gewal­ten­tei­lung zwi­schen Staat und Medi­en auch for­mal end­gül­tig auf­he­ben. Claus Kle­ber und ande­re Pro­pa­gan­dis­ten hät­ten in einem sol­chen rei­nen Staats­fern­se­hen kei­nen Platz mehr.

Im Prin­zip könn­te ein sol­cher lupen­rei­ner Staats­rund­funk etwa beim Bun­des­pres­se­amt ange­sie­delt wer­den, oder man könn­te eine Dach­or­ga­ni­sa­ti­on schaf­fen, der Redak­tio­nen des Bun­des­kanz­ler­am­tes, der Minis­te­ri­en und des Par­la­men­tes zulie­fern. Staat­li­che Infor­ma­tio­nen wären stark ein­ge­schränkt, klar defi­niert und vor allem klar als sol­che erkenn­bar − anders als bei dem der­zei­ti­gen kryp­to-staat­li­chen Rund­funk­sys­tem. Für einen steu­er­fi­nan­zier­ten Appa­rat wür­de ein klei­ner Bruch­teil des jet­zi­gen Per­so­nals und des jet­zi­gen öffent­lich-recht­li­chen Etats von ins­ge­samt 8,5 Mil­li­ar­den Euro jähr­lich aus­rei­chen. Der gro­ße Rest der öffent­lich-recht­li­chen Anstal­ten müss­te sich wie alle ande­ren auch am Markt um zah­len­de Nut­zer bewerben.

Auf der ande­ren Sei­te ist eine Abschaf­fung des zwangs­fi­nan­zier­ten Rund­funks natür­lich auch eine uralte For­de­rung der Schmud­del- und Kra­wall­sen­der von Pro Sie­ben bis RTL, die die gebüh­ren­fi­nan­zier­te Kon­kur­renz schon seit 30 Jah­ren weg haben wol­len. Zwar droht dadurch ein wei­te­rer kul­tu­rel­ler Ver­fall der Rundfunklandschaft.

Auf der ande­ren Sei­te haben sich die öffent­lich-recht­li­chen Sen­der dem Niveau der pri­va­ten bereits soweit ange­nä­hert, dass man da kaum noch etwas ver­schlim­mern kann. Und schließ­lich ist inner­halb und außer­halb des Inter­nets eine gro­ße alter­na­ti­ve Medi­en­land­schaft her­an­ge­wach­sen, die sich zuneh­mend pro­fes­sio­na­li­siert und immer mehr Auf­ga­ben über­nimmt, die die eta­blier­ten Medi­en schon lan­ge nicht mehr erfüllen.

Fest steht: Damit ist der Damm gebro­chen. Das Gut­ach­ten des Wis­sen­schaft­li­chen Bei­rats des Bun­des­fi­nanz­mi­nis­ters ist die ent­schei­den­de Posau­ne, die die im Grun­de mor­schen Mau­ern des zwangs­fi­nan­zier­ten Rund­funk­sys­tems zum Ein­sturz brin­gen wird. Für den Gebüh­ren­zah­ler heißt das, die Zah­lun­gen spä­tes­tens jetzt ein­zu­stel­len. Für alle ande­ren, die bereits den »Bei­trags­ser­vice« am Hals haben: Nur noch ein wenig Geduld, dann hat sich die Sache von selbst erledigt …

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