Offizieller Bericht über die Ausbringung von Chemikalien und Erregern über Großbritanniens Bevölkerung zwischen 1940 und 1979

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Ant­o­ny Bar­nett, public affairs editor
The Obser­ver, Sun­day 21 April 2002 10.23 BST
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(von mir übersetzt)

Das Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um ver­wan­del­te gro­ße Tei­le des Lan­des in ein rie­si­ges Labor, um eine Rei­he von gehei­men Bak­te­ri­en­tests zu Kriegs­zwe­cken an der Bevöl­ke­rung durchzuführen.
Ein gera­de frei­ge­ge­be­ner Bericht der Regie­rung bie­tet zum ers­ten Mal offi­zi­el­len Ein­blick in die Geschich­te der bio­lo­gi­schen Waf­fen­tests in Groß­bri­tan­ni­en zwi­schen 1940 und 1979.

 

Vie­le von die­sen Tests beinhal­ten die Frei­ga­be poten­zi­ell gefähr­li­cher Che­mi­ka­li­en und Mikro­or­ga­nis­men über wei­ten Tei­len der Bevöl­ke­rung, ohne dass die Welt­öf­fent­lich­keit infor­miert wurde.

Wäh­rend eini­ge gehei­me Details der Stu­di­en in den letz­ten Jah­ren ans Licht kamen, ent­hält der 60 Sei­ten umfas­sen­de Bericht neue Infor­ma­tio­nen über mehr als 100 ver­deck­te Experimente.

Der Bericht zeigt, dass mili­tä­ri­sches Per­so­nal ange­wie­sen wur­de, »neu­gie­ri­gen For­schern« zu sagen, dass die Ver­su­che im Rah­men von Pro­jek­ten zur Erfor­schung von Wet­ter und Luft­ver­schmut­zung liefen.

Die Tests, durch­ge­führt von Regie­rungs­wis­sen­schaft­lern der Por­ton Down*, wur­den ent­wi­ckelt, um Groß­bri­tan­ni­ens Schwach­stel­len auf­zu­zei­gen, falls die Rus­sen Wol­ken von töd­li­chen Kei­men über dem Land freilassen.

In den meis­ten Fäl­len wur­den für die Tests Alter­na­ti­ven für bio­lo­gi­sche Waf­fen ver­wen­det, von denen die Wis­sen­schaft­ler glaub­ten, sie wür­den einen Krieg über Bak­te­ri­en simu­lie­ren, sei­en aber ansons­ten harmlos.
Fami­li­en in bestimm­ten Gebie­ten des Lan­des, die Kin­der mit Geburts­schä­den haben, for­dern jedoch eine öffent­li­che Untersuchung.

Ein Kapi­tel des Berichts »Fluo­res­zie­ren­de Par­ti­kel-Tests« zeigt auf, dass zwi­schen 1955 und 1963 Flug­zeu­ge von Nord-Ost Eng­land um die Spit­ze von Corn­wall ent­lang der Süd- und West­küs­te flo­gen, um gro­ße Men­gen an Zink-Kad­mi­um-Sul­fid über der Bevöl­ke­rung aus­zu­brin­gen. Die che­mi­sche Wol­ke drif­te­te Mei­len land­ein­wärts. Dank ihrer Fluo­res­zenz konn­te ihre Ver­brei­tung beob­ach­tet wer­den. In einer ande­ren Stu­die mit Zink-Kad­mi­um-Sul­fid wur­de ein Gene­ra­tor auf einer Stra­ße in der Nähe von Fro­me in Somer­set abge­stellt, um dort für eine Stun­de die Che­mi­ka­li­en zu versprühen.

Wäh­rend die Regie­rung dar­auf bestand, dass Kad­mi­um harm­los ist, wird es als Ursa­che für Lun­gen­krebs ange­se­hen und galt wäh­rend des Zwei­ten Welt­krie­ges für die Alli­ier­ten als che­mi­sche Waffe.

In einem wei­te­ren Kapi­tel »Lar­ge Area Covera­ge Tri­als« beschreibt das Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um, wie zwi­schen 1961 und 1968 mehr als eine Mil­li­on Men­schen an der Süd­küs­te von Eng­land in Tor­quay, New Forest Bak­te­ri­en, dar­un­ter E. Koli und Bacil­lus Glo­bi­gii aus­ge­setzt waren, wel­che die Sym­pto­me von Milz­brand (Anthrax) her­vor­ru­fen. Die­se kamen von einem mili­tä­ri­schen Schiff, der »Ice­wha­le«, abseits der Küs­te von Dor­set ver­an­kert, wel­ches die Mikro­or­ga­nis­men in einem Radi­us von fünf bis 10 Mei­len versprühte.

Der Bericht ent­hüllt auch Details der DICE-Stu­di­en in Süd­afri­ka zwischen1971 und 1975 Dor­set. Ame­ri­ka­ni­sche und bri­ti­sche Mili­tär­wis­sen­schaft­ler waren dar­an beteilgt, mas­si­ve Men­gen von Ser­ra­tia Mar­ce­s­cens Bak­te­ri­en mit Milz­brand Simu­lanz­lö­se­mit­tel und Phe­nol zu versprühen.

»Alter­na­ti­ve Bak­te­ri­en« wur­den in den »Sabo­ta­ge Tests« zwi­schen 1952 und 1964 ange­wandt. Die­se Tests wur­den durch­ge­führt, um die Anfäl­lig­keit von gro­ßen öffent­li­chen Gebäu­den zu bestim­men und den Angriff auf öffent­li­che Ver­kehrs­mit­tel zu simu­lie­ren. Im Jahr 1956 wur­den Bak­te­ri­en auf der Lon­don Under­ground am Mit­tag an der Nor­t­hern Line zwi­schen Col­liers Wood und Too­ting Broad­way frei­ge­ge­ben. Die Ergeb­nis­se zei­gen, dass sich der Orga­nis­mus über ca. 10 Mei­len (16,5 Km) ver­teil­te. Ähn­li­che Ver­su­che wur­den in Tun­neln unter dem Regie­rungs­ge­bäu­de in Whi­te­hall durchgeführt.

Bei Expe­ri­men­ten zwi­schen 1964 und 1973 wur­den auf Fel­dern Kei­me über Spin­nen­net­zen aus­ge­bracht, um zu tes­ten unter wel­chen Bedin­gun­gen die Kei­me über­le­ben. Die­se Tests wur­den an einem Dut­zend von Stand­or­ten im gan­zen Land, dar­un­ter London’s West End, Sout­hamp­ton und Swin­don durch­ge­führt. Der Bericht ent­hält fer­ner Anga­ben zu mehr als einem Dut­zend klei­ne­rer Feld­ver­su­che zwi­schen 1968 und 1977.

In den letz­ten Jah­ren hat das bri­ti­sche Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um zwei Wis­sen­schaft­ler beauf­tragt, die Sicher­heit die­ser Tests zu über­prü­fen. Bei­de berich­te­ten, dass es kei­ne Gefahr für die öffent­li­che Gesund­heit gäbe, obwohl man älte­re Men­schen oder Men­schen mit Atem­be­schwer­den ernst­haft gescha­det hat, wenn sie aus­rei­chen­de Men­gen der Mikro­or­ga­nis­men ein­ge­at­met haben.

Eini­ge Fami­li­en in den Test­ge­bie­ten sind über­zeugt, dass die Expe­ri­men­te bei ihren Kin­dern Geburts­feh­ler, kör­per­li­che Behin­de­run­gen und Lern­schwä­chen verursachten.

David Orman, ein Offi­zier aus Bour­ne­mouth, for­dert eine öffent­li­che Unter­su­chung. Sei­ne Frau Janet­te, wur­de in East Lul­worth, Dor­set gebo­ren, nahe der Gegend, wo vie­le der Ver­su­che statt­fan­den. Sie hat­te eine Fehl­ge­burt, dann gebar sie einen Sohn mit Zere­bral­pa­re­se. Bei den Kin­dern von Janette’s drei Schwes­tern, die eben­falls wäh­rend der Tests zur Welt kamen, gab es eine Rei­he unge­klär­ter Pro­ble­me, wie auch bei vie­len ihrer Nachbarn.

Die loka­le Gesund­heits­be­hör­de hat bestrit­ten, dass es sich um so viel Men­schen han­delt, doch Orman sieht das anders. Er sag­te: »Ich bin über­zeugt, dass etwas Schreck­li­ches pas­siert ist. Das Dorf war eine enge Gemein­schaft und so vie­le Geburts­feh­ler über einen so kur­zen Zeit­raum kön­nen kein Zufall sein.

Die fol­gen­den Regie­run­gen haben ver­sucht, Ein­zel­hei­ten der Tests zur bak­te­ri­el­len Kriegs­füh­rung geheim zu hal­ten. Nach­dem mit der Zeit Berich­te über eine Rei­he von Stu­di­en durch das Public Records Office auf­ge­tauch­ten, wur­den sie durch den Libe­ral­de­mo­kra­ten MP Nor­man Bak­er ver­öf­fent­licht und gel­ten als die voll­stän­digs­te offi­zi­el­le Ver­si­on der bio­lo­gi­schen Kriegsführung.

Bak­er sag­te: »Ich begrü­ße die Tat­sa­che, dass die Regie­rung end­lich die­se Infor­ma­tio­nen ver­öf­fent­licht, aber es stellt sich die Fra­ge, war­um es so lan­ge gedau­ert hat. Es ist nicht hin­nehm­bar, dass die Öffent­lich­keit ohne ihr Wis­sen als Ver­suchs­ka­nin­chen miss­braucht wur­de und ich bin mir sicher, dass das Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um über die Wir­kung der Che­mi­ka­li­en und Bak­te­ri­en im Bil­de war.«

Der Bericht des Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums zeich­net die bri­ti­sche Geschich­te der Erfor­schung bak­te­ri­el­ler Waf­fen seit dem Zwei­ten Welt­krieg auf, als Por­ton Down fünf Mil­lio­nen Fleisch­ku­chen, gefüllt mit töd­li­chen Milz­brand­spo­ren pro­du­zier­te, die über Deutsch­land abge­wor­fen wur­den, um die »Nutz­tie­re« zu töten. Er ent­hält auch Ein­zel­hei­ten über die berüch­tig­ten Milz­brand-Expe­ri­men­te in Grui­nard an der schot­ti­schen Küs­te, die die Insel so stark kon­ta­mi­nier­ten, dass sie bis in die spä­ten 1980er Jah­re als unbe­wohn­bar galt.

Der Bericht bestä­tigt auch die Ver­wen­dung von Anthrax und ande­ren töd­li­chen Kei­men bei Tests an Bord von Schif­fen in der Kari­bik und vor der schot­ti­schen Küs­te in den 1950er Jah­ren. Im Doku­ment heißt es: »Simu­lanz­lö­se­mit­tel­tests, denen die Öffent­lich­keit aus­ge­setzt sein könn­te, unter­lie­gen Sicher­heits­über­le­gun­gen zur Ver­tei­di­gung und sind der Öffent­lich­keit nur beschränkt zur Kennt­nis­nah­me frei­ge­ge­ben. Dies folgt aus der Not­wen­dig­keit, eine öffent­li­che Unru­he zu ver­mei­den, die auf­kä­me, sobald die Bevöl­ke­rung über die eige­ne Ver­wund­bar­keit durch Angrif­fe mit bio­lo­gi­schen Kampf­stof­fen infor­miert wäre.«

Sue Elli­son, Spre­che­rin Por­ton Down, sag­te: »Unab­hän­gi­ge Berich­te von her­aus­ra­gen­den Wis­sen­schaft­lern haben gezeigt, dass aus die­sen Ver­su­chen, die zum Schutz der Öffent­lich­keit durch­ge­führt wur­den, kei­ne Gefahr für die öffent­li­che Gesund­heit entstand.

»Die Ergeb­nis­se aus die­sen Tests wer­den Leben ret­ten, soll­te das Land oder unse­re Kräf­te mit einem Angriff durch che­mi­sche und bio­lo­gi­sche Waf­fen kon­fron­tiert sein.«

Auf die Fra­ge, ob sol­che Tests noch im Gan­ge sind, sag­te sie: »Es ist nicht unse­re Poli­tik, über lau­fen­de For­schungs­ar­bei­ten Aus­kunft zu erteilen.«

Ori­gi­nal­text:
http://www.guardian.co.uk/politics/2…medicalscience

*Por­ton Down ist eine unter Geheim­hal­tung ste­hen­de mili­tä­ri­sche For­schungs­ein­rich­tung in der Nähe von Por­ton, England.
Seit dem 1. Welt­krieg wur­den offi­zi­ell 20.000 Men­schen von Por­ton Down für Ver­su­che miss­braucht, die Zahl nicht­mensch­li­cher Tie­re ist wesent­lich höher und Schä­den an der Umwelt sind noch gar nicht absehbar.

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