Enthüllungen des früheren Französischen Außenministers

Der Lybi­sche Krieg: Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit began­gen durch Sar­ko­zy und das Fran­zö­si­sche Militär

By Alexander Mezyaev
Global Research, January 22, 2012
Strategic Culture Foundation — 2011-12-31

Auf den ers­ten Blick der Ereig­nis­se von 2011 in Lybi­en erscheint es, dass die Ent­schei­dung das Land anzu­grei­fen erst im Febru­ar oder März getrof­fen wur­de. Eine Zahl von Fak­ten und offi­zi­el­le Doku­men­te schei­nen dies zu bestä­ti­gen. Im Janu­ar 2011 berei­te­te die UN die Dis­kus­si­on der Men­schen-rech­te in Lybi­en vor. Kein ein­zi­ger Staat äußer­te Beden­ken, und die Füh­rung des Lan­des wur­de über alle Maße gelobt für die außer­or­dent­li­chen Ergeb­nis­se, die sie auf die­sem Gebiet erzielt hat­te. Was war es, was die Haupt­fein­de Lybi­ens in jenen Tagen gesagt haben, die­sel­ben in Bereit­schaf­t/­Vor­be­rei-tung nach weni­gen Wochen anzugreifen?

Qatar, zum Bei­spiel, sag­te nicht nur nichts Kri­ti­sches, son­dern lob­te aus­drück­lich die gesetz­li­che Grund­la­ge für die Ver­tei­di­gung der Men­schen­rech­te in Lybi­en… sowie die Garan­tien, die­se in die Pra­xis umzu­set­zen. Qatar mach­te gera­de ein­mal eine Emp­feh­lung fort­zu­fah­ren das Leben und das mate­ri­el­le Wohl­erge­hen der Bevöl­ke­rung zu ver­bes­sern, sobald die 1990 ver­häng­ten Sank­tio­nen nicht mehr wirk­sam seien(1). Die USA schlu­gen vor, Lybi­en soll­te dem Pro­to­koll der Kon­ven­ti­on zum Sta­tus von Flücht­lin­gen der Ver­ein­ten Natio­nen von 1997 beitreten.(2) Ein recht ver­wun­der­li­cher Vor­schlag! Nie­mand kann von einem Staat ver­lan­gen, die­sem oder jenem inter­na­tio­na­len Abkom­men bei­zu­tre­ten, spe­zi­ell wenn dies von dem Land stammt, das sich von einer gro­ßen Anzahl von inter­na­tio­na­len Abkom­men fern­hält, ein­schließ­lich jener Abkom­men bezüg­lich der Men­schen­rech­te (bis heu­te ist die USA kein Mit­glied der Kon­ven­ti­on der Rech­te des Kin­des der Ver­ein­ten Natio­nen). Ins­ge­samt brach­te der Wort­laut der meis­ten Emp­feh­lun­gen ihre Aner­ken­nung der Lybi­schen Regie­rung für ihre Ver­diens­te für die erziel­ten Fort­schrit­te auf dem Gebiet der Men­schen­rech­te, indem sie z.B. damit began­nen, „mit Bemü­hun­gen fort­zu­fah­ren“, „wei­te­re Anstren­gun­gen zu unter­neh­men“, “wei­te­re Fort­schrit­te zu erzie­len“, usw. Sudan ging mit sei­nem Vor­schlag noch wei­ter, die Lybi­sche Ara­bi­sche Jama­ha­ri­ya zu bit­ten, ihre Erfah­run­gen auf dem Gebiet der Schaf­fung eines ange­mes­se­nen Lebens­stan­dards für Fami­li­en mit nied­ri­gem Ein­kom­men beson­ders durch das zur Ver­fü­gung­stel­len von Inves­ti­ti­ons­mög­lich­kei­ten mit ande­ren Län­dern zu teilen.(3) Eini­ge Wochen vor der mili­tä­ri­schen Inter­ven­ti­on hat­te der fran­zö­si­sche Prä­si­dent Gad­da­fi noch mit allen ihm gebüh­ren­den Ehren empfangen.

Aber es gibt Tat­sa­chen kom­plett ver­schie­de­ner Natur die aus­rei­chend Anlass geben zu sagen, dass ein abge­kar­te­tes Spiel gespielt wur­de, um die Wach­sam­keit der lybi­schen Füh­rung ein­zu­schlä­fern. Und der Sudan war Teil davon.

Das Buch mit dem Titel Sar­ko­zy sous BHL/Sarkozy unter BHL(4) das soeben erschie­nen ist, wur­de vom frü­he­ren Außen­mi­nis­ter Roland Dumas(5) und dem bekann­ten Anwalt Jac­que Ver­ges geschrieben.(6) Es gibt detail­lier­te Ein­sicht in die Ver­ant­wor­tung des fran­zö­si­schen Prä­si­den­ten für Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit, die in Lybi­en durch das fran­zö­si­sche Mili­tär began­gen wur­den. Ins­be­son­de­re wirft es Licht auf die Mög­lich­keit, den amtie­ren­den Prä­si­den­ten vor Gericht zu brin­gen (im Wis­sen der fran­zö­si­schen Mit­glied­schaft zu den Sta­tu­ten des Inter­na­tio­na­len Straf­ge­richts­ho­fes und der Annah­me eines spe­zi­el­len Geset­zes zur Über­nah­me der Sta­tu­ten in fran­zö­si­sches Recht). R. Dumas und J. Ver­ges machen N. Sar­ko­zy ver­ant­wort­lich für die Bom­bar­die­rung lybi­scher Städ­te, ein­schließ­lich öffent­li­cher und Wohn­ge­bäu­de, Ein­rich­tun­gen zur täg­li­chen Ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung sowie von Kul­tur­schät­zen. Sie füh­ren Doku­men­te an, die die offi­zi­el­len NATO Behaup­tun­gen wider­le­gen, dass es kei­ne Schä­den an Zivil­per­so­nen gab(7). Die Schluss­wor­te eines Kapi­tels sagen, Mon­sieur Sar­ko­zy ist weder Erbe von Gene­ral de Gaul­le, Gis­card d’Estaing noch Fran­cois Mit­te­rand. Dies ist eine sehr wich­ti­ge his­to­ri­sche Bestä­ti­gung. Dies konn­te ich ver­ste­hen, nach­dem ich vor eini­gen Wochen Roland Dumas und Jac­que Ver­ges wäh­rend einer außer­ge­wöhn­li­chen Kon­fe­renz in Paris getrof­fen hatte.

9. Dezem­ber: fran­zö­si­sche Anwäl­te, Gelehr­te und Medi­en­ver­tre­ter tra­fen sich, um inter­na­tio­na­le recht­li­che Aspek­te des Angriffs auf Lybi­en im Her­zen des Lan­des zu dis­ku­tie­ren, das der Haupt­in­itia­tor des Krie­ges war.(8) Die vier Spre­cher am Run­den Tisch waren: H. Kirch­ler, Öster­rei­cher, R. Mer­kel (Deutsch­land), bei­de Pro­fes­so­ren für Inter­na­tio­na­les Recht, Russ­land war ver­tre­ten durch den Autor die­ses Arti­kels, und Frank­reich – durch den frü­he­ren Außen­mi­nis­ter R. Dumas. Der letz­te der genann­ten Per­so­nen zeich­ne­te sich durch sei­ne außer­ge­wöhn­lich und uner­war­tet offe­ne Rede aus, die einer beson­de­ren Auf­merk­sam­keit bedarf.

R. Dumas sag­te, alles begann 1983. Als Mit­glied des Par­la­men­tes sei er von Prä­si­dent Mit­te­rand mit einer gehei­men Mis­si­on beauf­tragt gewe­sen, gute Bezie­hun­gen zu Lybi­en her­zu­stel­len. Zu die­sem Zwe­cke besuch­te er das Land meh­re­re Male, wor­über selbst der fran­zö­si­sche Bot­schaf­ter in Tri­po­lis nicht infor­miert war. Aber nach­dem er Außen­mi­nis­ter gewor-den war, unter­nah­men die USA inten­si­ve Anstren­gun­gen, damit Frank­reich sei­nen Kurs ände­re. Eine Dele­ga­ti­on des Pen­ta­gon besuch­te Frank­reich 1985, um ihn davon zu über­zeu­gen, Gad­da­fi sei im Besitz von che­mi­schen Waf­fen. Sie ver­such­ten ihn (und ent­spre­chend auch Prä­si­dent Mit­te­rand) davon zu über­zeu­gen, dass Frank­reich Lybi­en zu bom­bar­die­ren hät­te, da Gad­da­fi zu einer Gefahr für den Wes­ten wür­de. R. Dumas wur­de wütend und frag­te, ob dem so sei, weil US Bür­ger visa­frei­en Zugang nach Lybi­en genös­sen und sich dort im Ölge­schäft betä­tig­ten. … 1988 erhielt der fran­zö­si­sche Pre­mier­mi­nis­ter J. Chi­rac ein Gesuch der USA, 100 Flug­zeu­gen den Über­flug über den fran­zö­si­schen Luft­raum zu gewäh­ren, um Lybi­en anzu­grei­fen. Dumas ver­trat den Stand­punkt, dies abzu­leh­nen. Er dach­te, dies sei genau, was der Prä­si­dent von ihm erwar­te­te, und er hat­te Recht, der Prä­si­dent lehn­te das Gesuch ab. Obwohl Chi­rac ande­rer Mei­nung war, akzep­tier­te er die Ent­schei­dung des Prä­si­den­ten. Die fran­zö­si­sche Wei­ge­rung, die Erlaub­nis für die Durch­que­rung des fran­zö­si­schen Luft­rau­mes zu ertei­len ver­hin­der­te nicht die Luft­schlä­ge gegen Lybi­en, son­dern ver­zö­ger­te die Ope­ra­ti­on ledig­lich um 20 Stun­den… Seit­dem wider­stand Frank­reich all die­se Jah­re dem US Druck, einen Angriff gegen Lybi­en durch­zu­füh­ren, und jetzt gab es nach. Mehr noch, es führ­te die Ope­ra­ti­on an.

Natür­lich waren die Kriegs­vor­be­rei­tun­gen gegen Lybi­en vor Febru­ar 2011 offen­sicht­lich, aber ich glau­be, es war das ers­te Mal, dass jemand, der direkt dar­an betei­ligt war, so ehr­lich und offen dar­über sprach. Die Ent­hül­lun­gen Roland Dumas gaben nicht nur Hin­wei­se zu allen Vor­gän­gen im Lau­fe des Poli­tik­for­mu­lie­rungs­pro­zes­ses der NATO, son­dern hin­ter­lie­ßen auch kei­ne Zwei­fel, dass alle Unru­hen in den ara­bi­schen Län­dern eine gut und lang geplan­te Ope­ra­ti­on waren…

Die Über­le­gun­gen für die andau­ern­den Bemü­hun­gen, den syri­schen Staat aus­zu­lö­schen soll­ten nicht auf den „Ara­bi­schen Früh­ling“ begrenzt blei­ben, son­dern in einem wesent­lich wei­te­ren Kon­text der letz­ten Deka­den gese­hen wer­den, ein­schließ­lich der Eta­blie­rung des Inter­na­tio­na­len Straf­ge­richts­ho­fes, der über 140 Län­der in Abhän­gig­keit gebracht hat.(10) Trotz­dem hat­ten eini­ge weni­ge Län­der den Mut sich zu wei­gern, die­ser „frei­wil­li­gen“ Re-Kolo­ni­sie­rung bei­zu­tre­ten. Zum Bei­spiel trat Lybi­en nie die­sem Abkom­men bei. Des­halb muss­ten die UN-Instru­men­te akti­viert wer­den (die lybi­sche Situa­ti­on an den ICC zu dele­gie­ren). Syri­en war fle­xi­bler. Es unter­zeich­ne­te das ICC Abkommen/Statuten im Jah­re 2000, aber hat die­ses bis­her nicht rati­fi­ziert. Mög­li­cher­wei­se ver­stand der Wes­ten die syri­sche Unter­schrift als ein Ablen­kungs­man­nö­ver und begann des­halb ande­re Instru­men­te zu nut­zen. Jetzt lässt sich mit hoher Wahr­schein­lich­keit sagen, dass der Anschlag auf R. Hari­ri, den liba­ne­si­schen Pre­mier­mi­nis­ter, mit dem Zweck ver­übt wur­de, ein „inter­na­tio­na­les“ Instru­ment zu schaf­fen, um kur­zen Pro­zess mit Syri­en zu machen. Zu Beginn wur­de ein „inter­na­tio­na­les“ Ermitt­lungs­ko­mi­tee auf­ge­baut, danach das Spe­zi­el­le Tri­bu­nal für den Liba­non. (11) Aber das Haupt­ziel des Tri­bu­nals ist nicht das liba­ne­si­sche Volk als sol­ches, son­dern mehr die pro­sy­ri­schen Kräf­te im Liba­non. Man kann Syri­en tref­fen, indem man die­se angreift.

Es soll­te kei­ne Illu­si­on bestehen – Syri­en ist heu­te das Haupt­ziel. Wie vie­le Deka­den müs­sen ver­ge­hen, bis wir von Zeu­gen wis­sen, wel­che üblen Machen­schaf­ten bei den Vor­be­rei­tun­gen zur Zer­stö­rung des Lan­des benutzt werden?

Über­set­zung: Karl Kai­ser, 2012-01-09

Ori­gi­na­ler Arti­kel: The War on Libya: Reve­la­ti­ons of For­mer French For­eign Minis­ter. Cri­mes against Huma­ni­ty Com­mit­ted by Sar­ko­zy & French Military