Düppel Anfrage an die Bundesregierung vom 1996

Ant­wort
der Bundesregierung
auf die Klei­ne Anfra­ge der Abge­ord­ne­ten Chris­ti­an Ster­zing, Angelika
Beer, Win­fried Nacht­wei und der Frak­ti­on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
— Druck­sa­che 136155 -
Gesund­heits­ge­fähr­dung durch Düp­pel-Täusch­ma­te­ri­al für die Radarabwehr

Im Okto­ber 1996 ging über der West­pfalz — im Raum Pirmasens,
Wald­fisch­bach — Burg­al­ben und Tripp­stadt — ein »Glas­fa­ser­re­gen« nieder,
d. h. soge­nann­tes Düp­pel-Täusch­ma­te­ri­al für die Radar­ab­wehr wur­de von
Flug­zeu­gen abge­wor­fen (vgl. »Pir­ma­sen­ser Rund­schau« vom 19. Oktober
1996). Es muß von erheb­li­chen Beein­träch­ti­gun­gen bzw.
Gesund­heits­ge­fähr­dun­gen der dort leben­den Bevöl­ke­rung ausgegangen
wer­den. Eben­so kann eine Umwelt­be­las­tung nicht aus­ge­schlos­sen werden.
All­ge­mei­ne Beur­tei­lung der Vor­fäl­leBei den an ver­schie­de­nen Orten in der Süd­pfalz auf­ge­fun­de­nen Fasern
han­delt es sich um metall­be­dampf­te Glas­fa­sern, sogenanntes
Düp­pel­ma­te­ri­al, das von Luft­fahr­zeu­gen aus­ge­sto­ßen wird, um die
wirk­sa­me Bekämp­fung durch radar­ge­lenk­te Waf­fen zu ver­hin­dern. Der
Ein­satz von Düp­pel­ma­te­ri­al erfolgt bei simu­lier­ten Abfang­übun­gen von
Jagd­flug­zeu­gen oder zum Schutz gegen Feu­er­lei­t­ra­da­re am Boden.
Der Ver­schuß von Düp­pel­kar­tu­schen ist unver­zicht­ba­rer Bestand­teil der
Ein­satz­aus­bil­dung der flie­gen­den Besat­zun­gen. Nur so kön­nen das
Erken­nen von Radar­be­dro­hung sowie die zeit­ge­rech­te Ein­lei­tung von
Gegen­maß­nah­men und ergän­zen­den tak­ti­schen Manö­vern zum Selbstschutz
geübt wer­den. Seit Mit­te der 80er Jah­re ist die Nut­zung von
Düp­pel­ma­te­ri­al bei der Ein­satz­aus­bil­dung der Luft­streit­kräf­te insgesamt
rückläufig.
Die Ver­wen­dung von Düp­pel­ma­te­ri­al ist nach den geltenden
res­sort­über­grei­fend abge­stimm­ten flug­be­trieb­li­chen Rege­lun­gen für die
Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land grund­sätz­lich zuläs­sig. Das Anmelde‑,
Koor­di­nie­rungs- und Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren sowie die erlassenen
Restrik­tio­nen für den Ein­satz von Düp­peln gel­ten unein­ge­schränkt auch
für alli­ier­te Luft­streit­kräf­te. Die flug­be­trieb­li­chen Rege­lun­gen für
den Ein­satz von Düp­pel­ma­te­ri­al wur­den in ent­spre­chen­de NATO-
Vor­schrif­ten auf­ge­nom­men und sind den üben­den Besat­zun­gen bekannt.
Ver­stö­ße gegen Bestim­mun­gen zum Düp­pel­ein­satz im Hoheits­ge­biet der
Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land durch deut­sche oder alli­ier­te Streitkräfte
sind nicht bekanntgeworden.
1.    Wer ist nach Infor­ma­tio­nen des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Verteidigung
für den Düp­pel-Abwurf ver­ant­wort­lich zu machen?
Nach Abschuß eines ita­lie­ni­schen Trans­port­flug­zeugs im ehemaligen
Jugo­sla­wi­en haben die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land und meh­re­re NATO-
Natio­nen ihre Trans­port­flie­ger­kräf­te mit Selbst­schutz­an­la­gen gegen
radar- und infra­rot­ge­lenk­te Waf­fen aus­ge­stat­tet. Für Aus­bil­dung und
Erpro­bung der Anla­gen steht in Euro­pa neben einer Ein­rich­tung in
Groß­bri­tan­ni­en nur die tri­na­tio­na­le Elo­Ka-Übungs­ein­rich­tung POLYGONE
(in der Süd­pfalz und Tei­len von Elsaß-Loth­rin­gen) zur Ver­fü­gung. NATO-
Luft­streit­kräf­te haben zur Erpro­bung und in Vor­be­rei­tung auf humanitäre
Ein­sät­ze die­se Ein­rich­tung ver­stärkt genutzt. Da Transportflugzeuge
wegen ihrer Grö­ße mehr Düp­pel­ma­te­ri­al aus­sto­ßen müs­sen als
Kampf­flug­zeu­ge, um das Auf­schal­ten eines Feu­er­lei­t­ra­dars zu verhindern,
ist im Zuge die­ser Erpro­bungs- und Aus­bil­dungs­vor­ha­ben vermehrt
Düp­pel­ma­te­ri­al im Bereich der Süd­pfalz ein­ge­setzt worden.
Das gefun­de­ne Mate­ri­al wur­de einer Über­prü­fung unter­zo­gen. Danach wurde
es in kei­nem Fall von deut­schen Luft­fahr­zeu­gen aus eingesetzt.
Bis­he­ri­ge Hin­wei­se durch Zeu­gen sind für die Bestim­mung des
Ver­ur­sa­chers nicht aus­rei­chend. Eine ein­deu­ti­ge Zuord­nung der Vorfälle
zu bestimm­ten Aus­bil­dungs- oder Erpro­bungs­vor­ha­ben war nicht möglich.
2.    Trifft es zu, daß alli­ier­te Streit­kräf­te, ohne das
Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung in Kennt­nis zu set­zen, die
Glas­fa­ser­bün­del abge­wor­fen haben?
Nein, bis­her sind kei­ne Ver­stö­ße gegen Anmel­de- und
Koor­di­nie­rungs­ver­fah­ren bekanntgeworden.
3.    Was beab­sich­tigt das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung zu tun, um
künf­tig die­se und ähn­li­che Vor­komm­nis­se zu verhindern?
Bis zum Abschluß lau­fen­der Unter­su­chun­gen und zur Behe­bung möglicher
Män­gel ist der Ein­satz von Düp­pel­ma­te­ri­al aus Trans­port­flug­zeu­gen im
deut­schen Anteil von POLYGONE seit 29. Okto­ber 1996 eingestellt.
Drin­gend erfor­der­li­che Erpro­bun­gen und Aus­bil­dungs­vor­ha­ben dürfen
aller­dings mit Ein­ver­ständ­nis der fran­zö­si­schen Luft­waf­fe unverändert
in Frank­reich durch­ge­führt werden.
4.    Wie beur­teilt die Bun­des­re­gie­rung das Gefähr­dungs­po­ten­ti­al für die
durch den Glas­fa­ser­re­gen beein­träch­tig­te Bevölkerung?
Wel­ches Gefähr­dungs­po­ten­ti­al besteht für Klein­kin­der, die eventuell
Glas­fa­sern inkorporieren?
Das Düp­pel­ma­te­ri­al wird nach Aus­sto­ßen aus dem Luft­fahr­zeug im
Regel­fall durch den Luft­strom inner­halb kür­zes­ter Zeit stark
ver­wir­belt. Dies ist auch für den wirk­sa­men Schutz zwingend
erfor­der­lich. Nur durch rasche Ver­tei­lung der ein­zel­nen Fasern wird
eine gro­ße Radar­re­flek­ti­ons­flä­che erreicht. Das bedeu­tet zugleich, daß
bei ein­wand­frei funk­tio­nie­ren­den Aus­stoß­be­häl­tern und fehlerfreiem
Mate­ri­al nur gerin­ge Kon­zen­tra­tio­nen am Boden erreicht wer­den, die
regel­mä­ßig mit blo­ßem Auge kaum wahr­ge­nom­men wer­den kön­nen. Bei den
bekannt­ge­wor­de­nen Vor­fäl­len han­delt es sich um durch fehlerhaftes
Mate­ri­al oder Gerät ver­ur­sach­te Ausnahmen.
Düp­pel­ma­te­ri­al wird auch bei alli­ier­ten Luft­streit­kräf­ten im Rah­men der
Ent­wick­lung und Beschaf­fung regel­mä­ßig auf Gesund­heits- und
Umwelt­ver­träg­lich­keit unter­sucht. Düp­pel­ma­te­ri­al in Form
metall­be­dampf­ter Kunst­stoff- oder Glas­fa­sern ist ungif­tig. Da das
Mate­ri­al eine gerin­ge Sin­kra­te hat, ist eine Gefähr­dung von Mensch und
Tier durch den Abwurf aus Luft­fahr­zeu­gen ausgeschlossen.
Das im Okto­ber 1996 im Groß­raum Pir­ma­sens vor­ge­fun­de­ne Mate­ri­al war
offen­sicht­lich durch Über­la­ge­rung, Näs­se oder elektrostatische
Auf­la­dung ver­klumpt und damit bei den Ein­sät­zen unwirk­sam. Insofern
han­delt es sich bei den gemel­de­ten Vor­fäl­len um bedau­er­li­che Ausnahmen.
Für den Ein­satz von Düp­pel­ma­te­ri­al im deut­schen Anteil der von der US
Air Force, der fran­zö­si­schen und der deut­schen Luft­waf­fe gemeinsam
betrie­be­nen Elo­Ka-Übungs­ein­rich­tung POLYGONE sind nur Materialien
zuge­las­sen, deren Unbe­denk­lich­keit zuvor vom Bun­des­amt für Wehrtechnik
und Beschaf­fung fest­ge­stellt wurde.
Zusam­men­fas­send ist fest­zu­hal­ten, daß von dem bei EloKa-Übungseinsätzen
von Kampf- oder Trans­port­flug­zeu­gen in der Süd­pfalz eingesetzten
Düp­pel­ma­te­ri­al bzw. den gefun­de­nen Res­ten zu kei­nem Zeit­punkt eine
Gesund­heits­ge­fähr­dung ausging.
5.    Wel­che Maß­nah­men zur Besei­ti­gung der Glas­fa­ser­res­te wur­den vom
Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung in Angriff genommen?
Soweit Stel­len der Bun­des­wehr Kennt­nis von auf­ge­fun­de­nen Düppelresten
hat­ten, sind die Umwelt­schutz­be­auf­trag­ten und Wall­meis­ter­trupps bei den
Ver­tei­di­gungs­be­zirks­kom­man­dos tätig geworden.
6.    Wel­che Men­gen von Glas­fa­ser-Düp­pel wur­den abge­wor­fen, und welche
Men­gen konn­ten hin­ter­her wie­der ein­ge­sam­melt werden?
Die Men­gen der ein­ge­setz­ten Düp­pel und der ein­ge­sam­mel­ten Düppelreste
sind der Bun­des­re­gie­rung nicht bekannt.
7.    Wie hoch belau­fen sich die Kos­ten, um das kon­ta­mi­nier­te Gebiet zu
reinigen?
8.    Wer trägt die ent­stan­de­nen Kos­ten der Rei­ni­gung des betroffenen
Geländes?
Eine Kon­ta­mi­nie­rung von Gebie­ten in der Süd­pfalz ist nicht eingetreten.
Ergän­zen­de Rei­ni­gungs­maß­nah­men sind nicht erfor­der­lich. Kosten
ent­ste­hen des­halb nicht.
9.    Wel­che Erkennt­nis­se hat das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Verteidigung
über Düp­pel-Abwür­fe in ande­ren Regio­nen Deutschlands?
10.    Wann und wie oft wur­de, in wel­chen Men­gen, Radar-Täuschmaterial
über dem Gebiet von Rhein­land-Pfalz und ande­ren Regio­nen Deutschlands
von Mili­tär­jets abgeworfen?
Düp­pel sind seit dem Zwei­ten Welt­krieg als Mit­tel zur Radarabwehr
bekannt und wur­den in Deutsch­land nach dem Krie­ge von NATO- und WP-
Luft­streit­kräf­ten bei Aus­bil­dungs- und Übungs­ein­sät­zen von
Kampf­flug­zeu­gen genutzt. Die ein­ge­setz­ten Men­gen und die regionale
Ver­tei­lung der Düp­pel­ein­sät­ze ins­ge­samt wur­den nicht erfaßt. Deshalb
lie­gen der Bun­des­re­gie­rung dazu kei­ne Kennt­nis­se vor.
Der frü­her übli­che Ein­satz von Düp­pel­be­häl­tern zum Legen ausgedehnter
Düp­pel­kor­ri­do­re hat an tak­ti­scher Bedeu­tung ver­lo­ren und wird von der
Bun­des­wehr und alli­ier­ten Luft­streit­kräf­ten seit Jah­ren nicht mehr
geübt. Die ent­spre­chen­den Behäl­ter sind bei der Luft­waf­fe und anderen
NATO-Luft­streit­kräf­ten inzwi­schen aus­ge­son­dert wor­den. Des­halb ist der
Ein­satz von Düp­pel­ma­te­ri­al bei der Ein­satz­aus­bil­dung der
Luft­streit­kräf­te seit Mit­te der 80er Jah­re ins­ge­samt stark rückläufig.
11.    Wel­che ande­ren Mate­ria­li­en, außer Glas­fa­sern, wur­den noch
abgeworfen?
Neben Düp­peln zur Radar­ab­wehr wird im Luft­raum der Bundesrepublik
Deutsch­land auch pyro­tech­ni­sche Muni­ti­on ein­ge­setzt, um
infra­rot­ge­lenk­te Waf­fen von Luft­fahr­zeu­gen abzu­len­ken. Der Ein­satz ist
nach den Rege­lun­gen für den Flug­be­trieb im Hoheits­ge­biet der
Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land bei Ein­hal­tung einer Sicher­heits­hö­he und
Ver­mei­dung der Schif­fahrts­we­ge über See grund­sätz­lich, über Land
aus­nahms­los nur über Trup­pen­übungs- und Erpro­bungs­plät­zen zulässig.
12.    Wie beur­teilt die Bun­des­re­gie­rung die Mög­lich­kei­ten einer
straf­recht­li­chen Ver­fol­gung der Ver­ant­wort­li­chen für die Düppel-
Abwürfe?
Hat sie ggf. die not­wen­di­gen Schrit­te eingeleitet?
Die zustän­di­ge Staats­an­walt­schaft hat Ermitt­lun­gen auf­ge­nom­men. Nach
den der Bun­des­re­gie­rung vor­lie­gen­den Erkennt­nis­sen fan­den die
Düp­pel­ab­wür­fe im Rah­men gel­ten­der Bestim­mun­gen statt.

10.12.1996 nnnn